Vulkanös – mit Anna auf dem Weg zum Etna

Etna

Während wahre Outdoorler den Weg auf den Etna tief unter der Erde schwimmend in einem Lavastrom zurücklegen, wählen wir eine etwas kühlere Form, um den höchsten aktiven Vulkan Europas kennenzulernen.

Um 9:00 Uhr holen uns Walter und Anna, unsere Guides für den heutigen Tag, mit ihrem 4×4 Jeep am Campingplatz ab. Mit an Bord: Silke aus Hamburg und zwei Irinnen.

Wir haben lange überlegt, ob wir den Etna alleine in Angriff nehmen sollen. Denn normalerweise sind wir keine Freunde von Touristenausflügen. Aber wir wollten eben auch viel über den Vulkan erfahren. Also haben wir uns für die individuellste Variante im Programm entschieden. Dass wir es nicht bereuen werden, wird schon nach den ersten Minuten klar. Anna legt schon auf der Anfahrt von Catania los.

Das Erste, was wir lernen: Der Etna ist kein einzelner Vulkan, sondern ein Vulkansystem. Er hat vier Gipfelkrater und 400 Nebenkrater und ist kein explosiver Vulkan, wie zum Beispiel der Vesuv. Bei einem Ausbruch tritt die Lava meistens über die Flanken des Bergkegels aus, an denen sich breite Risse bilden.

Die Höhe des Etna kann nicht genau angegeben werden, da sie sich bei Ausbrüchen durch die erkaltete Lava immer wieder ändern kann. Man geht von einer Höhe zwischen 3200 bis 3350 Metern aus.

Nachdem wir Nicolosi verlassen haben, biegen wir auf einmal unvermittelt von der Landstraße ab. Walter schüttelt uns querfeldein zum ersten Mal richtig durch. Wir kommen zu einem alten Lavafeld. Hier wurde früher für den Häuserbau Basalt abgebaut, aus dem die Lava hier besteht. Heute ist das Bauen mit Basalt verboten. Zu porös ist das Lavagestein.

Etna

Weiter oben treffen wir auf ein altes Haus, das von einem Lavastrom verschüttet wurde. Anna versichert uns, dass die Menschen dabei nicht ums Leben gekommen sind. Doch so ein Haus hält die Lava nicht auf. Beim Ausbruch 1983, bei dem eine 750 Meter breite Flanke aufbrach, aus der Lava floss, wurden mehrere Häuser und Restaurants zerstört.

Etna

Ein Stück weiter die Straße hoch kommen wir zum Refugio Sapienza. Wir sind jetzt auf knapp 2000 Metern und es ist merklich kälter geworden. Hier begegnen uns viele Reisebusse. Das Refugio ist auch die Talstation der Bergbahn. Mit ihr kommt man bis auf 2500 Meter. Wer will, kann dann noch in Allradbusse umsteigen und sich ganz nach oben bringen lassen. Ich bin überrascht, wie viele Menschen hier oben sind. Anna erklärt, dass der Etna Anziehungspunkt Nummer eins auf Sizilien ist. Egal zu welcher Jahreszeit.

Wir setzen unsere Etnaerkundung zu Fuss fort. Mit nur sehr wenigen Busreisenden steigen wir zu den Kratern auf. Wir nehmen den steilen Aufstieg, was uns zwar aus der Puste aber auch schnell aus der Reichweite der Busse bringt.

Etna

Richtig vorwärts kommen wir nur schwer. Ein Schritt vor bedeutet auf dem Lavageröll zwei Schritte zurück. Oben angekommen bietet sich uns ein beeindruckender Blick auf das ganze Etnagebiet. Jetzt wird deutlich, warum Anna von einem Vulkansystem sprach.

Etna

Der Abstieg ist auch nicht gerade einfach. Teilweise versinkt man im Lavagestein und rutscht einfach ein paar Meter weiter nach unten. Unten angekommen mussten wir erstmal den Lavastaub aus unseren Klamotten schütteln.

Wieder im Jeep fahren wir weiter zu einer Lavahöhle. Die Lava kühlt unterschiedlich schnell ab. Dadurch entstehen unterirdische Grotten. Man kann das mit einem Schokokuchen mit flüssigem Schokokern vergleichen. Mit Helm und Taschenlampe ausgestattet geht es in eine Höhle.

Dabei sehe ich eher aus wie Bob der Baumeister, als wie ein Höhlenforscher.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Höhle nicht von anderen. Nachdem wir ein Stück hineingegangen sind bittet uns Walter, die Taschenlampen auszumachen. Wir sehen in ein paar Metern Entfernung Licht von der Oberfläche durchscheinen.

Das sah auch ein Radfahrer ohne Taschenlampe, der sich die Höhle angeschaut hat. Er wollte dort zu dem Licht hinaufklettern, was tödlich für ihn endete. Was wir nämlichen sehen, als wir die Lampen wieder anmachen, ist ein Abgrund der sich wenige Meter vor uns auftut. Hier geht es 304 Meter steil in die Tiefe. Für den Radfahrer gab es keine Rettung mehr.

Walter erklärt, dass solche Hohlräume unter den erkalteten Lavaströmen oft vorkommen.

Wieder zurück an der Oberfläche geht es weiter querfeldein. Wir nähern uns abseits der Busrouten dem Valle del Bove. Das Valle del Bove ist vermutlich aus mehreren Kratereinstürzen vor zehntausenden Jahren entstanden. 1991 öffnete sich eine Eruptionsspalte an der Nordwestwand. Riesige Mengen Lava flossen bis zur Stadtgrenze Zafferanas. Wenn man hier oben steht und auf die erkalteten Lavafelder sieht, erkennt man erst, welche zerstörerische Kraft dahinter steckt. Für mich einmal mehr die Erkenntnis, wie klein und zerbrechlich wir Menschen sind. Und wie wichtig wir uns doch immer wieder nehmen.

Etna
Etna

Nach dieser überwältigenden Aussicht fahren wir gemeinsam zum Mittagessen. Bei typisch sizilianischen Gerichten diskutieren wir in englisch, italienisch, deutsch und mit Händen und Füßen über die Erlebnisse am Etna.

Als ich nach dem leckeren Essen zufrieden meine Beine von mir strecke und den Gesprächen zuhöre, kommt ein alter Italiener auf mich zu. Er streichelt mir über den Bauch und zieht mir kräftig an meinem Bart. Dabei erzählt er mir etwas auf Italienisch und lässt verschmitzt seinen letzten verbliebenen Zahn im Oberkiefer blitzen. Walter kennt ihn. Ein alter Bergmann. Vielleicht dachte er, es bringt Glück Frederico dem Baumeister das Bäuchlein zu streicheln.

Meine Reisegefährten hatten auf jeden Fall Spaß an der Nummer. Ich bin mal gespannt, ob ich noch weitere Huldigungen auf unserer Süditalienrundfahrt erfahre.