von Dieter | 31.Dezember 2017
Vierschanzentournee in Oberstdorf – wo sich Johnny Däpp und Joana treffen
Viele Jahre verfolgte ich wie Millionen Sportbegeisterte die Internationale Vierschanzentournee zu Hause am Fernseher. Dieses Jahr wurde es Zeit, dass ich mir das Springen mal live anschaue.
Ein Traumtag in Oberstdorf. Nach dem es einen Tag durchgeschneit hat, zeigt sich heute das Wetter von seiner besten Seite. Sonne pur! Das ist auch gut so, denn heute geht es zur Vierschanzentournee und es werden in den Abendstunden minus 10 Grad erwartet.
Angela verwandelt sich in eine Zwiebel. Die Schränke, in denen sonst die Winterklamotten liegen, sind leer. Auch ich ziehe so viel an, wie unter meine Skijacke passt und dann geht es los. Atmen geht zwar nicht mehr so gut. Aber erfrieren werden wir auf keinen Fall. Man kommt sich vor wie ein Kandidat in einer japanischen Gameshow, der in ein Sumoringerkostüm gesteckt wird und trottelig durch die Gegend taumelt. Egal. Hauptsache warm.

Wir marschieren los. Schon von weitem lässt sich erahnen, was uns die nächsten Stunden erwarten wird. Der Stadionanimateur gibt sein Bestes, was durch das ganze Tal zu hören ist. Da wir von unserem Campingplatz aus starten, kommen wir völlig entspannt zur Schanze. Entlang der Trettach gehen wir auf verschneiten Spazierwegen. Die meisten Zuschauer reisen mit dem Auto oder mit Sonderzügen an.

Die Taschen- und Personenkontrolle bringen wir schnell hinter uns und dann geht es auf unsere Tribüne. Wir haben uns Sitzplätze gegönnt und der Blick von hier ist super. Wenn auch je nach Windrichtung uns ein Werbebanner des Skiclub Oberstdorf die Sicht auf die Videotafel nimmt. Denn: Im Vergleich zum Fernsehen sieht man die Springer wenn sie losfahren und dann wieder wenn sie am Aufsprunghügel entlang segeln. Aber egal. Die Stimmung im Stadion ist gut und das Training gerade beendet. Die Zeit bis zum Wettkampf und später jede Windunterbrechung wird vom Stadionsprecher dazu genutzt, die Fans zu nie für möglich gehaltene Gesangesleistungen zu motivieren. Hier trifft Joana, die geile Sau, auf Johnny Däpp, Däpp, Däpp.
Letzterer hopst unkoordiniert genau vor meiner Nase rum. Ein richtig cooler Typ mit katzenfellbesetzter Kapuze. Doch irgendwie kommt er in seiner Gruppe nicht wirklich gut an, was ihn aber eher zu weiteren Höchstleistungen antreibt. Auf das für meinen Geschmack sowieso schon immer grenzwertige Zicke Zacke, Zicke Zacke, hoi, hoi, hoi antwortet er mit Kinderwagen, Kinderwagen, schieb, schieb, schieb! Was will er uns damit sagen?

Es ist einem schon bewusst, dass man mit dem Kauf einer Eintrittskarte nicht einen Sitzplatz im literarischen Quartett erworben hat. Aber muss man denn bei jeder Gelegenheit zeigen, dass man geistig nicht ganz auf der Höhe ist?
Da lob ich mir meinen Nebensitzer. Eine Art Rübezahl aus dem Riesengebirge. Er kennt die Springer und ist voller Eifer dabei. Mit Deutschlandfähnchen versteht sich. Doch ich bekomme den Eindruck, dass die Wenigsten wegen den Sportlern hier sind. Selbst die Animateure am Stadionmikrofon verpassen vor lauter „Stimmungsmache“, den ein oder anderen Springer anzukündigen. Der Skispringer als Partybeilage!
Meine letzte Hoffnung, dass Johnny auch ein wenig wegen dem Sport da ist, wird jäh zerstört! „Wer ist denn dieser Freitag“, höre ich ihn seine Nebensetzerin fragen. Ach Mensch Johnny, wegen dem Ritschi sind doch alle gekommen. Derzeit Führender im Weltcup. Und der heißt Richard Freitag.
Er bekommt auch nicht mit, dass dieses Jahr mit Fatih Arda Ipcioglu zum ersten Mal ein türkischer Springer an der Tournee teilnimmt. Auf 94 Meter kommt er, qualifiziert sich damit aber nicht für den Wettkampf. Und trotzdem bekommt er viel Applaus. Dafür, dass er überhaupt oben losgefahren ist und einen ordentlichen Sprung hingelegt hat. Wer schon mal oben an der Schanze gestanden hat weiß, dass es viel Mut dafür braucht. Die Tagesschau wird später auf Facebook über ihn berichten und dies werden dann wieder einige Deppen für ihre Ausländerhetze nutzen. Keiner dieser „richtigen“ Deutschen hat auch nur annähernd so viel Eier in der Hose wie Fatih Arda Ipcioglu.
Der Wettkampf nimmt langsam fahrt auf. Johnny ist weiter am Hopsen und die Springer jagen immer neuen Bestweiten hinterher. Am Ende hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Nur noch die Top Athleten stehen oben auf dem Turm. Ritschi wird seiner Favoritenrolle gerecht und gewinnt die Qualifikation. Am darauffolgenden Wettkampftag, dem ersten Springen der Vierschanzentournee wird er Zweiter. Hinter Kamil Stoch aus Polen. In strömenden Regen und mit schlechteren Windverhältnissen. Auch das ist Skispringen. Und auch am Wettkampftag tanzt Johnny wie das Bärchen aus der Duracell-Werbung. Ganz für sich alleine. Seinen eigenen Ausdruckstanz in seiner eigenen Welt. Ganz ohne Sport.
Kinderwagen, Kinderwagen ….

Infos zur Vierschanzentournee in Oberstdorf
Termin: 29./30. Dezember
Ort: Schattenbergschanze, Oberstdorf
Ticketpreise: Stehplatz ab 12 EUR /Sitzplatz ab 21 EUR